Standort

Düren, DE

Ausschreibung

Modellfabrik Papier Düren

Bauherr

Wirtschaftsförderung Düren

Verfahren

VGV-Verhandlungsverfahren

Abgabe

September 2022

Nachhaltige Papierfertigung – mit der Modellfabrik Papier soll bis 2024 eines der wichtigsten Strukturwandelprojekte im Rheinischen Revier umgesetzt werden. Insgesamt 20 Unternehmen der Papierindustrie arbeiten dort in Kooperation mit bundesweit renommierten Forschungseinrichtungen daran, Papierproduktion „gänzlich neu zu denken“. Die Zielsetzung: Den Co2-Ausstoß der Papierindustrie um 80% reduzieren. So soll nicht nur ein Beitrag zur Dekarbonisierung der Wirtschaft geleistet-, sondern auch die bundesweite Strategie der Forschungsagenda Papier verfolgt werden, um den Werkstoff Papier verstärkt mit seinen nachhaltigen Eigenschaften zu positionieren.

 

Wettbewerbsbeitrag: Das Gebäude als Energiequelle

Im Rahmen eines VGV-Verfahrens wurde ein Entwurf für ein Forschungsgebäude mit Büros, Laboren und einem Technikum ausgeschrieben. Der Anspruch: Ein Leuchtturm-Projekt für den Imagewandel Dürens, welches die höchsten Nachhaltigkeitsziele erfüllt und diese mit einer DGNB Platin-Zertifizierung messbar macht.

Der eingereichte Entwurf verbindet die Komplexität disruptiver Forschung mit nachhaltiger, moderner Architektur, überträgt das zirkuläre Konzept des Innovationsquartiers Düren auf die Gebäudeebene und macht innovative Papierforschung erlebbar. Ziel des Konzeptes ist es den Neubau als energie- und materialpositives Gebäude zu errichten und damit Mehrwerte für Nutzer:innen, Bevölkerung und Stadt zu schaffen. Dem „Cradle to Cradle“-Gedanken folgend soll die Modellfabrik als rückbaubare und auch von außen wahrnehmbare Holzkonstruktion auf einem begrünten Sockel aus CO2-armem Beton errichtet werden. Die umlaufende Photovoltaik-Fassade in Kombination mit PV-Modulen auf dem Dach machen die Modellfabrik Papier zu einem Kraftwerk, das mehr Energie produziert, als es benötigt und unterstreichen gleichzeitig den innovativen Charakter des Gebäudes.

Die Modellfabrik als Materialbank

Im Fokus des Konzepts steht eine kreislaufgerechte Planung, die es ermöglicht Materialien ohne Qualitätsverlust in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückzuführen. Für Konstruktion, Fassade und Materialien im Innenraum wird überwiegend zertifiziertes Holz aus regionaler nachhaltiger Forstwirtschaft als CO2-bindender Rohstoff verwendet. Für die Konstruktion des Sockels wird CO2-armer Beton, bei dem der Zement in Großteilen durch Flugasche ersetzt wird, eingesetzt. Da die Konstruktion den größten Anteil am Rohstoffverbrauch beim Bau verursacht, wird durch diese Materialkombination eine erhebliche Reduktion der CO2-Emissionen und der grauen Energie erreicht.

Unterstützt wird das Konzept über einen hohen Vorfertigungsgrad etwa im Bereich der modularen Holzkonstruktion oder auch der elementierten Fassaden, über den der Bauablauf vor-Ort verschlankt und Abfälle, Staub und Lärm auf der Baustelle reduziert werden kann.

Über die Verwendung hinaus wird besonderen Wert auf eine einfache Demontierbarkeit der Bauteile gelegt, indem reversible Verbindungen eingesetzt werden („Schrauben statt Kleben“) und auf Verbundstoffe weitestgehend verzichtet wird. Dies ermöglicht die Zerlegung in sortenreine Einzelteile, die wiederverwendet werden können.

Mit dem Einsatz von digitalen Materialpässen, die alle Informationen über die verbauten Materialien speichern und in einem digitalen Zwilling (z.B. BIM-Modell) hinterlgen, ergibt sich sogar die Möglichkeit die Baustoffe beim Austausch oder beim Rückbau weiter zu vermarkten. Den verwendeten Materialien und damit dem Gebäude wird auf diese Weise ein zusätzlicher Wert beigemessen, der in die Lebenszykluskostenbetrachtung einbezogen werden kann – die Modellfabrik wird zur Materialbank.

Die bodengebundene Begrünung des Sockels im Zusammenspiel mit der extensiven Dachbegrünung leistet einen Beitrag zu Mikroklima und Biodiversität, wirkt der innerstädtischen Überhitzung positiv entgegen und begünstigt den Erhalt des natürlichen Wasserkreislaufs am Gebäude.

Als Ensemble gedacht

Das Konzept versteht die MFP und das D-NIC als großformatige Volumen, die durch das Labor- und Bürogebäude als leichten Zwischenbau über gläserne Verbindungen zu einem Ensemble verschmilzen. Der zur Bahnseite hin begrünte Sockelbereich verbindet die Untergeschosse der Baukörper sowohl optisch als auch funktional und macht zugleich die darüber liegenden Kubaturen klar ablesbar.

Besonderes Augenmerk bei der Gestaltung wurde auf die unterschiedliche Wahrnehmbarkeit der Gebäude mit verschiedenen Geschwindigkeiten von Bahn und Promenade gelegt. Während von der Bahn aus vor allem das städtebaulich-kubistische Ensemblekonzept mit weithin sichtbarem innovativem Charakter wahrnehmbar wird, sind es von der Promenade aus das architektonisch-konstruktive Detail und der Einblick in die Forschung, die sich dem Betrachter beim Flanieren eröffnen.

Das offen gestaltete Erdgeschoss der MFP ermöglicht die Einsehbarkeit aus dem öffentlichen Raum in die Technikumshalle und schafft auf der Promenadenseite eine gut verständliche Wegeführung zum zurückversetzten Eingangsgebäude. Die ansteigende Höhensituation der Promenade in Richtung des Vorplatzes wird begleitet vom begrünten Sockel, der eine natürliche Verbindung des Gebäudes mit der Umgebung ermöglicht und zugleich dem Betrachter eine spannende Verbindung von Forschung und Natur eröffnet.

Mit dem Betreten der Technikumshalle eröffnet sich eine kontrastreiche Welt zwischen High-Tech Forschung und nachhaltiger Architektur. Die Versuchsstände werden umgeben von einer Hallen-Konstruktion aus Holz, die aus V-Stützen und Fachwerkträgern besteht. Über die transparente Erdgeschossfassade und das mittige Lichtband im Dach wird die Tagslichtnutzung optimiert, Außenbezüge hergestellt und damit das Wohlbefinden der Nutzer:innen sichergestellt. Für natürliche Verschattung sorgt die oberhalb liegende vorgesetzte Photovoltaik-Fassade, die im EG mit Verdunklungsmöglichkeiten ergänzt wird, sodass sensible Versuchsanordnungen vor Einblicken von außen geschützt werden können.